Direkt am Rennsteig

Die ganze Welt im Garten

Nur Gänseblümchen und Löwenzahn? Von wegen! Im besonderen Klima des Rennsteiggartens, einem Botanischen Garten am Ortsrand von Oberhof, gedeihen seit 50 Jahren Gebirgspflanzen aus fast allen Hochgebirgswelten der Erde – vom kaukasischen Kranzenzian bis hin zum Adonisröschen aus dem Himalaja. Viele sind in der freien Natur bereits ausgestorben und stehen unter strengem Schutz. Im Thüringer Wald haben sie ein sicheres Refugium gefunden – zur Freude von Botanikern und Besuchern.

Der Chef des Rennsteiggartens

Die Weide ist ein gutes Beispiel, meint Frank Meyer, die Weide kennt jeder. Man bekomme die als Kind beim Spazierengehen gezeigt und wisse anschließend für den Rest seines Lebens: So sieht eine Weide aus. „Und dann sind die Leute völlig verblüfft, wenn ich ihnen die hier zeige.“ Der Chef des Rennsteiggartens bückt sich hinab zu einem kleinen Gewächs, das ein paar Zentimeter aus dem Boden lugt und für das man schon sehr genau hinsehen muss. „Das ist auch eine Weide. Eine quendelblättrige. Die ist vierzig Jahre alt und immer noch winzig.“ Er steht auf. Diese Fokussierung auf eine einzelne Art einer Pflanze, auch dann, wenn es Hunderte verschiedene gebe, die hätten so gut wie alle Besucher gemeinsam, sagt er. „Und dann erfahren sie bei uns, dass es nicht nur einen Enzian gibt, sondern 450 verschiedene, und dass sie sich fünfzig davon bei uns anschauen können. Diese kleinen Aha-Erlebnisse – die hat man bei uns eigentlich ständig.“

Der Leiter des Rennsteiggartens Frank Meyer

Der Leiter des Rennsteiggartens Frank Meyer ©Sabine Braun, Thüringer Tourismus GmbH

Ein Garten mit viel Tradition

Der Rennsteiggarten hat Tradition: Seit 1970 können Hobbygärtner und Botanikfreunde am Ortsrand von Oberhof die Welt der Pflanzen entdecken. Auf etwa 850 Meter Höhe herrscht auf dem Hauptkamm des Thüringer Walds ein besonderes Mikroklima, in dem sich Arten wohlfühlen, die sonst nur in den Hochgebirgsregionen der Welt wachsen. Deswegen kann man hier zum Beispiel das Adonisröschen aus dem Himalaja bewundern, die Asiatische Trollblume aus Westsibirien oder den Kranzenzian aus dem Kaukasus. Insgesamt wachsen auf den sieben Hektar Fläche 4.000 verschiedene Arten. Die meisten von ihnen stehen unter strengem Schutz. Viele sind in der freien Natur bereits ausgestorben. Die Lebensräume würden ja auch immer kleiner, sagt Frank Meyer, und der Klimawandel erledige den Rest. Für viele Pflanzenarten sind Anlagen wie der Rennsteiggarten deshalb das letzte Refugium. Er gehört zu einem Netzwerk von 220 botanischen Einrichtungen, die untereinander Samen bedrohter Arten austauschen und so deren Überleben sichern. Dementsprechend innig ist die Verbindung zwischen den Rennsteiggarten-Angestellten und ihren Schützlingen: „Unsere Gärtner kennen jede Pflanze gewissermaßen beim Vornamen“, meint Meyer.

Seltene botanische Schönheiten

Auch deswegen wachen er und sein Team mit Argusaugen über Berg-Kuhschelle, Natal-Aster und Schwalbenwurz-Enzian. Immer wieder kommt es nämlich vor, dass Besucher Pflanzen ausbuddeln und mitnehmen. Weil viele Arten an ihren Wildstandorten ausgestorben sind, kann der Diebstahl einer Handvoll Blümchen den Verlust der kompletten Spezies bedeuten. Doch die große Mehrzahl der Besucher – oft von weither angereist – füllt sich zum Glück nur die Augen mit botanischer Schönheit. Und lässt sich danach im „Café Enzian“ höchstens noch köstliche Thüringer-Wald-Heidelbeeren in Kuchenform schmecken. Und am Ausgang kann man sich sein Souvenir an einem kleinen Stand kaufen: Mittagsblumen für vier Euro, Zwerggrasnelken für drei. Die quendelblättrige Weide ist nicht im Angebot. Wenn man die sehen möchte, muss man den Rennsteiggarten besuchen. Und vor dem richtigen Beet sehr genau hinsehen. Auch keine schlechte Option.

 © Sabine Braun, Thüringer Tourismus GmbH

 

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